In Hongkong geht es aber nicht um Demokratie und Freiheit, denn vielen Staaten, besonders die USA, Großbritannien und China, verfolgen dort vor allem eigene Interessen. Die Inselstadt ist eine zu China gehörende Sonderverwaltungszone mit einer einzigartigen Ge- schichte. Die Stadt war 150 Jahre lang eine britische Kronkolonie, wurde aber 1997 durch eine Vereinbarung mit der Volksrepublik China an diese zurückgegeben – als selbstverwaltetes „Land mit zwei Systemen“. Hongkongs Sonderstatus machte die Stadt zu einem führenden Finanzzentrum und zum Steuerparadies für internationale Konzerne. Hongkongs Markt ist so frei von Regulierungen und Haftungsvorschriften, dass die konservative US-Denkfabrik Heritage Foundation die Stadt als Nummer 1 in ihrem Index of Economic Freedom führt.
Die Vereinbarung bringt sowohl der Volksrepublik China als auch dem Ausland Vorteile. In einer Erläuterung der Presseagentur Reuters wird dazu gesagt: „China nutzt die Währung (den Hongkong-Dollar) sowie den Kapital- und Schuldenmarkt Hongkongs, um Auslandskapital anzulocken, und für internationale Konzerne ist die Stadt das Sprungbrett für Geschäfte mit China.“
Hongkongs Sonderstatus hat Chinas wirtschaftlichen Aufstieg befördert und schützt ausländische Konzerne vor Steuern und Zöllen. Er schützt aber auch Mörder vor Strafverfolgung, denn Hongkong hat kein Auslieferungsabkommen für Täter, die Verbrechen in Tai- wan oder China begangen haben. Ein in Hongkong lebender Mann, der 2018 während eines Urlaubs in Taiwan seine schwangere Freundin ermordet haben soll, kann nicht verfolgt werden, weil er nach Hongkong zurückgekehrt ist. Weil die Verwaltung Hongkongs ein bereits bestehendes Auslieferungsabkommen ergänzen möchte, werfen ihr die Protestierenden vor, damit wolle sie vor allem die Auslieferung aufsässiger Hongkonger an die Volksrepublik China ermöglichen.
Proteste gegen ein Auslieferungsabkommen
Der folgende Kommentar, der die Einmischung Washingtons und Londons in die inneren Angelegenheiten Chinas zurückweist, wurde in der von der chinesischen Regierung gesponserten Publikation CHINA DAILY, Ausgabe Hongkong, veröffentlicht „Das Gesetz über die Erweiterung des Auslieferungsabkommens wurde aus zwei Gründen zum Anlass für die Proteste in Hongkong: Erstens um den Anhängern von „True Democracy“ einen Vorwand für den Griff nach der politischen Macht in Hongkong zu liefern. Und zweitens um die geänderte Strategie der US-Regierung zu unterstützen, die China 2018 zum Hauptrivalen der USA erklärt hat.“ – Zhou Bajun (Autor des Artikels). Die Protestierenden erhofften sich zunächst Unterstützung von London. Den „Union Jack“ schwenkend, stürmten Schutzhelme tragende Demonstranten das Hongkonger Parlamentsgebäude. Und in den Straßen sangen sie „God save the Queen“, die Nationalhymne ihrer ehemaligen Kolonialherren. Die Demonstranten appellierten aber nicht nur an die Briten, sie führten auch US-Fahnen mit. Joshua Wong, der Anführer der Hongkonger Aktivistenorganisation Demosisto, forderte auch die USA, Westeuropa und Japan auf, „Hongkong zu befreien“.
Offizielle US-Reaktionen
Am 18. September 2019 hat sich Nancy Pelosi, die (demokratische) Sprecherin des Repräsentantenhauses, gemeinsam mit Wong auf einer Pressekonferenz in Washington zu den Menschenrechten in Hongkong geäußert. Aufmerksamen Beobachtern dürfte aufgefallen sein, dass ihr Auftritt an eine Erklärung der Staatssekretärin Victoria Nuland erinnerte, mit der diese im Jahr 2013 vor einem Logo der Firma Chevron die „tapferen Menschen auf dem Maidan“, aufforderte , die ukrainische Regierung mit einer „bunten Revolution“ zu stürzen. Frau Pelosi lobte die „mutigen Streiter, die sich in Hongkong für Demokratie, Redefreiheit und Menschenrechte einsetzen, und verwies auf den vom US-Kongress beschlossenen Hong Kong Human Rights and Democracy Act of 2019 (mit dem wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen in Hongkong Sanktionen gegen China verhängt wurden). Damit wolle sie den Protestierenden in Hongkong die unmissverständliche Botschaft senden, dass sie „bei ihrem Streben nach Gerechtigkeit und Freiheit die volle Unterstützung der USA“ hätten. In einem am 13. Oktober in der CBS-Serie „Face the Nation“ ausgestrahlten Interview erklärte der zu einem Besuch in Hongkong weilende US-Senator Ted Cruz aus Texas, einer der neuen Wortführer der Republikaner: „Ich bin hier und trage Schwarz, um meine Solidarität mit den Protestierenden zu bekunden.“ Als er im Lauf des Interviews nach Gewalttaten der Demonstranten gefragt wurde, behauptete er, keine beobachtet zu haben. Die Anstifter „der bunten Revolution in Hongkong“ sind nämlich schwarz gekleidet. Unter den Demonstranten auf den Straßen befinden sich auch relativ wenige, die Masken und Schutzhelme tragen und Schäden an Geschäften, öffentlichen Verkehrsmitteln und auf dem Internationalen Flughafen in Hongkong angerichtet haben. Diese gewaltbereiten Aktivisten prügelten mit Stahlruten auf Menschen anderer Meinung ein und warfen Molotow- cocktails auf Polizisten. Pepe Escobar, ein Kolumnist der Asia Times, der auch schon in Hongkong gelebt hat, ordnet die zerstörerischen Handlungen der anarchistischen Gruppierung „Schwarzer Block“ zu, sie fänden aber häufiger als früher statt. In den USA wird im Repräsentantenhaus inzwischen ein weiterer Gesetzentwurf beraten, der mit der „Reponsibilty to Protect“ (der Verpflichtung zum Schutz) begründet wird. Sie stammt aus der Politik der „humanitären Intervention“ und soll Menschen in anderen Staaten vor ihren eigenen Regierungen schützen, wobei die US-Regierung selbst entscheidet, wer wie zu schützen ist. Darauf bezieht sich auch der Hong Kong Human Rights and Democracy Act, der von beiden Parteien bereits am 15. Oktober (2019) beschlossen wurde . Außerdem hat das Repräsentanten- haus in einer Resolution die chinesische Regierung in Peking gerügt und den Protect Hong Kong Act beschlossen, der auch die Ausfuhr von nicht zum Töten geeigneter Polizeiausrüstung nach Hongkong einschränkt. Im Juli hat das US-Außenministerium noch Waffenverkäufe im Wert von 2 Milliarden Dolnar an Taiwan genehmigt; außerdem wird die im Programm 1033 vorge- sehene Belieferung lokaler Polizeibehörden (in den USA) mit ausgemusterter Militärausrüstung fortgesetzt. Während dieser Artikel entstand, wurden die Gesetze, die Hongkong betreffen, dem Senat zur erwarteten Zustimmung vorgelegt. Auf dem Umgang der US-Medien und der US-Regierung mit Protestbewegungen in den USA Bezug nehmend, wird in der China Daily festgestellt: „In den USA gäbe es sicher heftige Reaktionen, wenn sich chinesische Politiker mit führenden Vertretern von Bewegungen wie ‚Occupy Wall Street‘, ‚Black Lives Matter‘ oder ‚Never Trump‘ träfen.“
Die Bewohner Hongkongs haben durchaus berechtigte Gründe, unzufrieden zu sein. Einer Aufstellung der Deutschen Bank zur globalen Preisentwicklung im Jahr 2019 war zu entnehmen, dass Hongkong die weltweit teuerste Stadt mit den höchsten Mieten ist. Deshalb leben viele Menschen in bitterer Armut. Ihre Wut wird aber nicht auf die ungerechte Verteilung des Reichtums, sondern auf die Regierenden in Hongkong und Peking gerichtet.
Jimmy Lai, ein Milliardär und Medienmogul aus Hongkong, der die Proteste in Hongkong finanzieren soll, kam Anfang Juli in die USA, um sich mit dem Vizepräsidenten Mike Pence, dem US-Außenminister Mike Pompeo, dem (damals noch amtierenden) Sicherheitsberater John Bolton und einigen Senatoren zu treffen. Bereits im März hatte eine Delegation von Vertretern der Bewegung „Demokratie für Hongkong“ Washington besucht.Die US-Stiftung National Endowment for Democracy, abgekürzt NED, unterstützt Bewegungen in anderen Staaten. Die unter der Reagan-Regierung im Jahr 1983 gegründete Stiftung wird zwar von der US-Regierung finanziert, soll aber angeblich unabhängig sein: Dennoch finanziert sie gemeinnützige Organisationen, Gewerkschaften und politische Parteien in anderen Staaten, um deren Bevölkerungen (im Sinne der USA) zu beeinflussen. Sie brüstet sich damit, „schnell helfen zu können, wenn irgendwo das Bedürfnis nach politischen Veränderungen aufkommt“. Der NED-Gründer und amtierende Präsident Allen Weinstein erklärte 1991: „Vieles, was wir heute tun, musste vor 25 Jahren noch die CIA erledigen.“ David Ignatius, der Redakteur der Washington Post für die Auslandsberichterstattung, stimmte ihm zu und bezeichnete die NED als „Sugar-Daddy“, der NGOs finanziert.
„Der National Endowment for Democracy müsste eigentlich „National Endowment for Attacking Democracy“ (Anstiftung zur Zerstörung der Demokratie) heißen, stellte Stephen Kinzer fest, der das Buch „America’s Century of Regime Change from Hawaii to Iraq“ geschrieben hat, das 2007 bei Henry Holt Co. erschienen ist.
In einem Video weist Mnar A. Muhawesh, der Herausgeber der MintPress News darauf hin, dass notorische Neokonservative wie Elliot Abrams im Verwaltungsrat der NED sitzen:
Seit Beginn der „Regenschirm-Proteste“ in Hongkong im Jahr 2014 hat die NED nach eigenen Angaben mehr als 29 Millionen Dollar in die Inselstadt gepumpt, „um Wege zur Demokratie und zu politischen Reformen zu ebnen“. Weil es der NED dabei vor allem um Widerstand gegen die chinesische Regierung geht, der sie unterstellt, „despotisch und eine Bedrohung für die Demokratie zu sein“, haben das meiste Geld solche Gruppen erhalten, die den Sturz der chinesischen Regierung anstreben, also – wie Mintpress berichtet hat – genau die Gruppen, die jetzt die Proteste organisieren.
Auch Dimsum Daily, eine in Norwegen betriebene, aber auf Hongkong ausgerichtete Website, hat am 16. August 2019 berichtet, die gegenwärtigen Proteste gingen zurück auf Agitatoren von Occupy Central, die schon 2014 in der Regenschirm-Bewegung aktiv waren.
„In einem gestern veröffentlichten Artikel haben wir ausführlich darüber berichtet, dass die Anführer der Proteste (in Hongkong) von Jimmy Lai und der US-amerikanischen NED finanziert werden. Sie wurden vom Oslo Freedom Forum trainiert, das von Thor Halvorsson betrieben wird, der auch die in New York ansässige Human Rights Foundation gegründet hat. Die BBC hat in einem Dokumentarfilm gezeigt, wie Occupy Central schon 2014 Tausende Protestierer ausgebildet hat. Es ist also durchaus möglich, dass die jetzt in Hongkong Demonstrierenden schon 2017 und 2018 auf die Proteste vorbereitet wurden.
Sara Flounders vom International Action Center in New York, das sich gegen Krieg und Rassismus wendet, verortet die Proteste in Hongkong unter den globalen Aktionen des US-Imperiums: „Die eskalierenden Demonstrationen sind einzureihen in den Handels- und Zollkrieg der USA gegen China und dessen militärische Einkreisung durch 400 US-Basen – die Hälfte der 800 Militärbasen, die das US-Imperium weltweit betreibt.
Die Friedensbewegung sollte deshalb fordern: „USA raus Hongkong, Asien und aus dem Pazifik!“
Mary Beaudoin gibt den „Women Against Military Madness Newsletter“ (den Newsletter „Frauen gegen militärischen Irrsinn“) heraus.
(Viel Dank an Wolfgang Jung und Fee Strieffler von
http://www.luftpost-kl.de/ . Sie haben den Artikel in nachfolgendem PDF dankenswerter Weise komplett übersetzt und und mit Ergänzungen und Links in Klammern versehen. Anschließend drucken sie den Originaltext ab.