“ … in der großen Corona-Pause haben wir die unerwartete Möglichkeit bekommen,
unsere wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Systeme zu reformieren und umzubauen.“
Dem Virus folgt Erkenntnis
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
niemand von uns hat so etwas jemals erlebt.
Wir leben ganz wortwörtlich in außer-gewöhnlichen Zeiten.
Was wird es mit uns machen, dass unser Leben auf nicht absehbare Zeit
durch ein Mindestabstand-Gebot bestimmt sein wird?
Wird es jemals ein Zurück in die Zeit vor Corona geben?
Diese Krise wird irgendwann beendet sein. Aber was ist danach?
Ich glaube, dass die Zeit nach Corona die politischste sein wird, die wir je erlebt haben werden.
Denn es werden fundamentale Entscheidungen anstehen und gefällt werden.
Diese Krise lässt wie unter einem Brennglas politische Beschlüsse,
die in den letzten Jahrzehnten falsch getroffen wurden,
durch ihre fatalen Auswirkungen nun überdeutlich zu Tage treten.
Corona konkretisiert, macht sichtbar und verklart –
führt so zu Erkenntnis und fordert zum Widerstand auf.
Und welcher Ort wäre geeigneter als unsere Montagsdemonstration,
die seit über 10 Jahren zu allen großen politischen Themen Stellung bezieht,
darüber zu debattieren, was verändert werden muss.
Das nur profitorientierte System, welches mehr denn je in Frage steht,
hat hier einen ganz eigenen Namen: „Prinzip Stuttgart 21“.
Es spricht vieles dafür, dass uns harte, konfliktreiche Zeiten bevorstehen.
Man hört ja bereits, dass alles dafür getan werden soll,
unser altes System unverändert wieder hochzufahren.
Wie nach dem Bankenfiasko 2008 scheint man nichts kapiert zu haben.
Doch es gibt auch Grund zur Hoffnung.
Denn der sogenannte Mainstream wird derzeit mit der Nase auf Themen gestoßen,
die für die meisten bisher nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben.
An drei Beispielen möchte ich das beschreiben.
An der Gesundheit, der Ungleichheit und der Destruktivität von „Stuttgart 21“
(…)
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in der großen Corona-Pause haben wir die unerwartete Möglichkeit bekommen
,unsere wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Systeme zu reformieren und umzubauen.
Aber Vorsicht – um diesen kleinen Bewusstseins-Vorsprung, den wir nun errungen haben,
müssen wir kämpfen.
Wir müssen noch klarer, noch entschiedener und noch positionierter für das Andere streiten.
Es stehen eher ungemütliche Zeiten bevor. Nach der Krise ist vor der Krise.
Kämpfen wir gegen das blinde „Weiter so wie bisher“.
Für die Reduktion des wirtschaftlichen Lebens.
Gegen das zerstörerische „Wachstum über alles“.
Für eine nachhaltige Wirtschaftsweise.
Gegen Milliardenhilfen für Konzerne und Hilfen für die Finanzbranche.
Für öffentliche Kontrolle und Umwandlung von Rüstungsindustrie, Autoindustrie und Flugzeug-bau.
Gegen Abwrackprämien.
Für solidarische Hilfsprogramme in ganz Europa.
Gegen Austeritätspolitik.
Für die hohe Besteuerung von großen Vermögen, großen Gewinnen und großen Einkommen.
Gegen Niedriglöhne, Privatisierungen, Vermögensanhäufung.
Für ein öffentliches Gesundheitssystem und eine einheitliche Krankenversicherung.
Gegen private Krankenhäuser, Fallpauschalen und das Geldverdienen mit Gesundheit.
Für solidarische Verhaltens- und Lebensweisen.
Gegen weitere Klimaerwärmung.
Für radikale Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich.
Gegen Sozialabbau und Einkommenseinbußen.
Für eine angemessene Bezahlung von Menschen in Sozialberufen.
Gegen die menschenfeindliche Arbeitssituation auf der Stuttgarter Baustelle.
Für einen sofortigen Baustopp und für „Umstieg21“.
Gegen „Stuttgart 21“.
Für die Vernunft.
Liebe Freundinnen und Freunde,
Ich grüße euch herzlich aus Berlin und freue mich darauf,
mit euch allen irgendwann wieder live vor dem Stuttgarter Kopfbahnhof protestieren zu können.
Wenn wir diese Krise gut hinter uns bringen,
dann sollte „Stuttgart 21“ erst recht zu bezwingen sein.
Gesund bleiben, rebellisch bleiben und – OBEN BLEIBEN
Quelle: https://beobachternews.de/wp-content/uploads/2020/04/Rede-von-Volker-Lösch.pdf