Katalonien/Barcelona: 500 000 demonstrieren gegen den Madrider Staatsstreich und für di e Erhaltung ihrer Souveränität


globalcrisis/globalchange NEWS

Martin Zeis, 22.10.2017

Wer gestern die knapp dreistündige Life-Übertragung der Demonstration und Kundgebung in Barcelona verfolgte*, konnte sich von der souveränen, entschlossenen, widerständigen Haltung der ihre demokratischen Rechte und Institutionen verteidigenden KatalanInnen überzeugen.

Zwei Demo-Teilnehmerinnen*:

„Artikel 155 anzuwenden ist eine unverschämte, unsinnige Gewaltanwendung gegen die katalanische Bevölkerung“.

„Ich denke, wir leben hier heute auf verschiedenen Planeten, nicht nur in verschiedenen Ländern. Sie reden die ganze Zeit immer dasselbe, wiederholen die gleichen Worte/Phrasen, nicht nur Mariano Rajoy, sondern auch die anderen Führungsfiguren. Es ist nicht möglich mit ihnen zu reden.“

* 3h-Life-Übertragung von RT am 21.10.2017, vgl. https://www.rt.com/news/407415-catalan-president-power-takeover

Für die weitere Entwicklung sind nach Lage der Dinge entscheidend,

a) ob diese Bewegung eine breitere Unterstützung aus anderen Teilen/Bereichen Spaniens/der Gesellschaft erfährt, ob die mit der rechtsradikalen Rajoy-Parte kollaborierende PSOE (spanische Sozialisten) auf Druck von Unten in den eigenen Reihen ihren Kurs ändert und wie sich die gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen/Kräfte außerhalb Kataloniens zu diesem „Staatsstreich gegen die Demokratie“ (Streck, s.u.) positionieren.

b) in welchem Maße, falls es zur Entmachtung der katalanischen Regionalregierung und der Übernahme zentraler Bereiche direkt durch Madrider Ministerien und/oder Staathalter vor Ort kommt, die Beschäftigten in den katalanischen Institutionen, den Behörden, den Medien, der regionalen Polizei etc. die Madrider An-/Verordnungen blockieren, den Gehorsam verweigern.

Zu a) schreibt aus Barcelona Ralf Streck in seinem jüngsten Bericht „Hunderttausende gegen „155“‚:

„… Natürlich sollen auch die Polizei und die öffentlich-rechtlichen Medien unter die Kontrolle aus Madrid gestellt – also zensiert – werden, wie es bei Staatsstreichen üblich ist. Diese Maßnahmen sollen am Freitag vom Senat abgenickt werden, wo Rajoys rechtsradikale Volkspartei (PP) eine absolute Mehrheit hat. Das macht ein absurdes Wahlgesetz möglich, denn bei den letzten Wahlen kam die PP gerade noch auf 33 %.

„Staatsstreich gegen die Demokratie“

Einen Aufruhr gibt es schon bei den spanischen Sozialisten (PSOE). Diverse ihrer Bürgermeister in großen katalanischen Städten haben ein Manifest verfasst. Núria Parlon, Jordi Ballart, Josep Mayoral i Ignasi Giméneaz fordern von ihrer Regionalsektion, sich der Zustimmung der Parteizentrale in Madrid zur „Aussetzung der Autonomie frontal entgegenzustellen“[9]. Die „minimale“ Anwendung des 155[10] ist das jedenfalls nicht, von der die PSOE-Mitglieder der Verhandlungsdelegation gesprochen hatten. Auszuschließen ist nicht, dass die PP und Rajoy auch den PSOE-Chef Pedro Sánchez über den Tisch gezogen haben.

Die Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau ist genauso entsetzt über die PSOE wie Podemos. „Es stellen sich den Demokraten alle Haare zu Berge“, erklärte Pablo Echenique. Die „Demokratie ist ausgesetzt worden“, sagte der zweite Mann in der Linkspartei und fügte an, dass das die Menschen der PSOE nicht vergessen würden.

Ada Colau, die mit Podemos in Barcelona regiert, sprach auf der Demonstration von einem „Staatsstreich gegen die Demokratie“[11]. Es sei „nicht hinnehmbar, dass eine Partei, die gegen die Franco-Diktatur gekämpft hat, diese Maßnahme unterstützt.“ Sie forderte[12] die PSOE zur Umkehr auf.

Die große Frage ist nun, wie die Regierung auf diese Vorgänge reagiert. Der Druck auf Puigdemont ist nun extrem, als Reaktion und Selbstschutz die Unabhängigkeit definitiv zu erklären und die ausgesetzten Wirkungen nach dem Übergangsgesetz in Kraft zu setzen. Das fordern nicht nur die linksradikale CUP und die großen zivilgesellschaftlichen Organisationen, sondern auch die Parteien in seiner Einheitsliste „Junts pel Si“ (Gemeinsam für das Ja).

Die Frage ist auch, ob Spanien versucht, Puigdemont festnehmen zu lassen, um Schritte von ihm zu verhindern. Nach der Inhaftierung der beiden Jordis halten Beobachter in Katalonien alles für möglich. Gedroht wird Puigdemont schon mit einer Anklage wegen Rebellion[13], worauf bis zu 25 Jahre Haft stehen, während bisher die Jordis und andere (nur) wegen Aufruhr angeklagt werden, worauf bis zu 15 Jahre stehen.

Links:

(…)

[9] http://www.ara.cat/politica/Parlon-Ballart-Mayoral-Gimenez-PSC_0_1891611062.html
[10] http://www.heise.de/tp/news/Bank-Run-fuer-die-katalanische-Unabhaengigkeit-3866737.html
[11] http://www.publico.es/politica/acusa-rajoy-suspender-democracia-y-avisa-al-psoe-gente-no-olvidar.html
[12] http://www.eldiario.es/catalunya/politica/MINUTO-Diada_13_685361458_14428.html
[13] http://www.lavanguardia.com/politica/20171021/432212748548/fiscalia-querella-rebelion-puigdemont-dui-tribunal-supremo.html

Quellen:https://www.heise.de/tp/features/Hunderttausende-gegen-155-3867164.html

ergänzend: https://www.heise.de/tp/features/Katalonische-Regierung-will-sich-dem-Angriff-aus-Madrid-nicht-unterwerfen-3867173.html?view=print

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