Der Wunsch nach Frieden

Willy Wahl

Recherchen vor Ort des Geschehens werden oft eingespart und durch Berichte der dominierenden westlichen Nachrichtenagenturen AFP, AP, Reuters und DPA ersetzt   – oder aber sie werden mit den Mitteln des sogenannten «Parachute Journalism» zusätzlich zur einseitigen Information missbraucht. Die deutsche Journalistin Karin Leukefeld, die seit vielen Jahren im Nahen und Mittleren Osten im Einsatz ist   – und auch dort lebt!   –, beschreibt hier, wie die neue Informationstechnologie und der Druck der Aktualität die Medienlandschaft verändert hat   – vor allem zum Negativen. (cm)

Noch vor nicht allzu langer Zeit   – sagen wir zu Zeiten des Ersten und Zweiten Weltkriegs im 20. Jahrhundert   – gab es Radio, Zeitungen, Briefe. Manchmal gab es Telefon und es wurde gefilmt und fotografiert. In den kriegführenden Nationen wie in Deutschland und Frankreich wurden Filme mit Frontberichterstattung produziert. An den verschiedenen Fronten entstanden in die Heere eingebunden Korrespondentennetze. Heute nennen wir das „embedded journalism“. Diese Filme wurden unter dem Titel „Wochenschau“ in lokalen Kinos gezeigt. Menschen kamen dort zusammen, um sie zu sehen und   – davon können wir ausgehen   – auch um darüber zu sprechen. Es fand also ein Austausch über das Gesehene statt.

Die Übermittlung von Informationen jenseits dieser offiziellen Kriegsberichterstattung dauerte lange. Briefe oder Postkarten beispielsweise, die von Soldaten an die Familien geschickt wurden und auch über den Krieg berichteten, kamen manchmal gar nicht an. Das Film- und Fotomaterial musste zu den Redaktionen transportiert werden. (…)

Eine wichtige Information: Dieser historisch substanzielle Beitrag der unabhängigen deutschen Journalistin Karin Leukefeld zum Thema Medien und mediale Berichterstattung entstand als Referat an einer Tagung unter dem Titel: «Welche Medien für den Frieden?» am 16. Oktober 2022 in Solothurn in der Schweiz. Die Tagung wurde organisiert und finanziell ermöglicht von den vier Schweizer Organisationen «Fondation GIPRI», «Schweizerische Friedensbewegung», «Vereinigung Schweiz-Cuba» und «ALBA SUIZA». Alle diese vier Organisationen setzen sich für den Frieden ein und leben ausschliesslich von den Beiträgen ihrer Mitglieder und von Spenden aus der Bevölkerung, um deren Friedensarbeit zu unterstützen.

Quelle: https://globalbridge.ch/die-rolle-der-medien-in-bewaffneten-konflikten%ef%bf%bc/

Bei meinen Recherchen über die Vertreibung der Armenier aus dem Osmanischen Reich zwischen 1915 und 1917 stieß ich auf die Berichte des deutschen Schriftstellers Armin T. Wegner, der als Unteroffizier in einer deutsch-ottomanischen Sanitätsmission in Ostanatolien am Euphrat stationiert war. Wegner wurde Augenzeuge des großen Sterbens. Heimlich fotografierte er und sprach nach seiner Rückkehr in Bildvorträgen über das Geschehen. Die Filme mit den Fotos hatte er in seiner Kleidung verborgen aus der Türkei geschmuggelt. Seine Aufnahmen stammten meist aus dem Jahr 1916. Seine Vorträge hielt er 1919, drei Jahre später. Da war der Völkermord an den Armeniern schon Geschichte.

Giftgas in Syrien: BBC gesteht Fake News ein – von Harald Neuber (Telepolis)

https://www.heise.de/tp/features/Giftgas-in-Syrien-BBC-gesteht-Fake-News-ein-6185652.html?seite=all

Giftgas in Syrien: BBC gesteht Fake News ein – von Harald Neuber (Telepolis)

Whistleblower – der OPCW-Bericht zum angeblichen Giftgasangriff in Duma entspricht nicht der Wahrheit

Auszüge aus dem Bericht von Karin Leukefeld über die Veranstaltung mit dem Whistleblower „Alex“, der in leitender Funktion an der OPCW-Untersuchung in Duma teilgenommen hatte. Der vollständige Bericht ist abrufbar unter:

https://www.nachdenkseiten.de/?p=55809

Whistleblower – der OPCW-Bericht zum angeblichen Giftgasangriff in Duma entspricht nicht der Wahrheit

Datum: 23. Oktober 2019 um 12:44 Uhr

Die Fact Finding Mission

Am 1. März 2019 veröffentlichte die Organisation zum Schutz vor Chemiewaffen (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons, OPCW) den Abschlussbericht der „Fact Finding Mission“ (FFM), die herausfinden sollte, ob in Douma, einem östlichen Vorort der syrischen Hauptstadt Damaskus, am 7.4.2018 giftige Chemikalien als Waffe eingesetzt worden waren.

In der Zusammenfassung des Berichts hieß es unter Punkt 2.17:

„Hinsichtlich des angeblichen Einsatzes von giftigen Chemikalien als Waffe am 7. April 2018 in Douma, Syrische Arabische Republik, haben die Auswertung und die Analyse aller Informationen, die von der FFM (d.h. Fact Finding Mission) zusammengetragen wurden – Aussagen von Zeugen, Analyseergebnisse von Umwelt- und biomedizinischen Proben, toxikologische und ballistische Analysen von Experten, zusätzliche digitale Informationen von Zeugen – ausreichende Begründungen erbracht, dass eine giftige chemische (Substanz) als Waffe eingesetzt wurde. Diese giftige chemische (Substanz) enthielt reaktives Chlor. Die giftige Chemikalie war vermutlich molekulares Chlor.“

Das entspricht nicht der Wahrheit

Diese Darstellung entspricht nicht der Wahrheit, sagte nun eine Quelle aus dem Douma-Untersuchungsteam der OPCW. Die Quelle, die an den Untersuchungen in Douma (Syrien) beteiligt war, traf sich am 15. Oktober in Brüssel mit einem kleinen Kreis von Personen aus vier Ländern, um über das „regelwidrige, unethische und betrügerische Verhalten“ der OPCW gegenüber dem Untersuchungsteam und auch der internationalen Öffentlichkeit zu sprechen. Die originale Erklärung zu dem Treffen mit der OPCW-Quelle ist nun veröffentlicht.

Eingeladen hatte die Courage Stiftung, die Whistleblower wie Julian Assange und Edward Snowdon unterstützt. Anwesend waren der Völkerrechtsprofessor Richard Falk, von 2008 bis 2014 UN-Sonderberichterstatter für die Situation der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen Autonomiegebieten; der pensionierte britische Generalmajor John Holmes, Elisabeth Murray, ehemalige US-Geheimdienstoffizierin Nahost, der Mainzer Professor Günther Meyer, der Arzt Helmut Lohrer vom Vorstand der IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) und Kristinn Hrafnsson (Chefredakteur von Wikileaks). Wenige Journalisten, darunter auch die Autorin, nahmen an dem Treffen als Beobachter teil.

Die Quelle „Alex“ erwies sich als eine Person mit langjähriger Berufserfahrung innerhalb der OPCW-Untersuchungsteams, spezialisiert im Bereich von Produktion und Analyse chemischer Waffen. Bei der OPCW-Mission, die im April 2018 den angeblichen Angriff mit giftigen Chemikalien in der Stadt Douma bei Damaskus (am 7.4.2018) untersuchen sollte, hatte „Alex“ eine führende Position.

Die „Fact Finding Mission“ (FFM) wurde 2014 innerhalb der OPCW eigens für Untersuchungen in Syrien gegründet. Jenseits der üblichen OPCW-Untersuchungsteams gilt für sie eine gesonderte Struktur. Die FFM ist unterteilt in zwei Kernteams. Das „Alpha-Team“ ist zuständig für die syrische Regierung, das „Beta-Team“ für die „Rebellen“. Während bei der Arbeit der normalen OPCW-Untersuchungsteams verschiedene OPCW-Abteilungen quasi als Korrektiv einbezogen werden können, untersteht die FFM direkt der OPCW-Spitze: dem Generaldirektor, dem „Kabinettschef“ und dem Leiter der „Fact-Finding-Mission“.

Nach der Rückkehr nach Den Haag, so die Quelle „Alex“, seien alle Proben an zwei verschiedene Labors geschickt worden. Das Untersuchungsteam sei vom Generaldirektor aufgefordert worden, zügig einen Zwischenbericht vorzulegen. Dann sei lange nichts geschehen. Der Quelle wurde klar, dass das Douma-Untersuchungsteam tatsächlich von der folgenden Arbeit ausgeschlossen wurde. Der bereits vorbereitete Zwischenbericht sei ignoriert worden, stattdessen tauchte ein Zwischenbericht auf, der nicht von denjenigen verfasst worden sei, die an der Untersuchung in Douma persönlich teilgenommen hätten, so die Quelle. …

Ausführlich ging die Quelle „Alex“ auf chemische und toxikologische Untersuchungen ein. So fanden sich weder an den biomedizinischen noch an den Umweltproben Spuren von „relevanten Chemikalien“. Die eigentlich relevanten Untersuchungsergebnisse der Inspektoren wurden weder im Zwischen- noch im Abschlussbericht aufgenommen. … Die in Proben gefundenen chlorierten organischen Chemikalien lagen um ein Vielfaches unter der Menge, die in der natürlichen Umwelt (bspw. im Wasser) vorkommen. …

Die Toten, die am 7. und 8. April 2018 in verschiedenen Handyaufnahmen in einem der beiden Häuser zu sehen waren, können nicht an Chlorgas gestorben sein, so die Quelle „Alex“. Alle Leichen hätten Schaum vor dem Mund gehabt, Chlor allerdings gelange in die Lungen und zerstöre das Gewebe von innen, Schaum werde nicht produziert. …

Schließlich wurde massiver Druck eines – namentlich nicht genannten – Vertragsstaates deutlich, der dem ursprünglichen Douma-Untersuchungsteam eine eigene „Rekonstruktion des Chlorangriffs in Douma“ vorlegte. Intern hieß es, der Bericht müsse die Politiker zufriedenstellen.

Der Brasilianer Bustani, ehemaliger Botschafter seines Landes in Großbritannien und Frankreich, war der erste Generaldirektor der OPCW, die er seit ihrer Gründung 1997 bis 2002 leitete. Dann musste er unter dem direkten Druck der damaligen US-Administration von George W. Bush vor dem Irakkrieg gehen. Dabei drohte ihm der damalige UN-Botschafter der USA, John Bolton, der im Auftrag des damaligen Vize-Präsidenten Dick Cheney Bustani in Den Haag aufsuchte: „Cheney will dich loswerden. Du hast 24 Stunden, um die Organisation zu verlassen. Wenn Du nicht der Entscheidung Washingtons folgst, haben wir Möglichkeiten … wir wissen, wo deine Kinder wohnen.” Seine zwei Söhne lebten damals in New York.

ZDF: Uli Gack als „Giftgas­bomben­entschärfer“ in Syrien unterwegs

Die Propagandaschau

zdf_80Ob das innerlich an einem frisst, wenn man jahrelang verlogene Propaganda für islamistische Terroristen machen muss, die man unter keinen Umständen im eigenen Land sehen und denen man auch in Syrien nicht über den Weg laufen möchte? Es hängt wohl vom Charakter ab. Uli Gack hat offenbar Muffensausen bekommen, nachdem Robert Fisk für den britischen Independent, Pearson Sharp für One America News und auch andere Journalisten reihenweise Zeugen präsentierten, die die von den „Weißhelmen“ verbreitete Propaganda vom „Giftgasangriff“ in Douma als haltlose Inszenierung entlarvten.

ZDF 20.04.2018 heute 19 Uhr

Uli Gack berichtet am vergangenen Freitag um 19 Uhr von seinen Interviews mit Flüchtlingen aus Douma. Bild anklicken, ZDF-Mediathek!

Gack hat sich also aufgemacht, um seinerseits der Sache auf den Grund zu gehen und auch er fand in einem syrischen Flüchtlingslager Zeugen aus Douma, die keinen Zweifel daran ließen, dass nicht nur an der „Giftgas“-Geschichte aus Douma kein wahres Wort dran…

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„Es ist ZEIT zu sterben“

Globalcrisis-/globalchange NEWS

Stephan Best 20.04.2018

Hallo an die Listen,

nachdem die Anlässe für die massenhafte Ausweisung von russischen Botschaftern (Novitschok Vergiftung der Skripals) und die Raketenangriffe durch F. UK. US auf Syrien (Sarinanschlag auf Duma) sich als unhaltbare Fakenews erweisen und sogar inzwischen der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages auf Anfrage durch Alexander NEU, Die LINKE, (Douma-FUKUS-Angriff-gegen Völkerrecht-WDBT2018 04) bestätigt hat, dass es keine Berechtigung für eine militärische Gewaltanwendung auf Syrien gibt, zeichnen sich weitere Pläne des Westens ab, wie auch ohne diese Scheingründe militärisch weiter mit dem souveränen Staat Syrien verfahren werden soll und dabei Stimmung gegen dessen Hauptverbündete Russland und Iran gemacht werden kann. Insbesondere deutsche und und französische Truppen könnten hierbei eine bedeutendere militärische Rolle spielen, wofür es allerdings keinerlei völkerrechtliches Mandat gibt.

Den Hinweis auf diesen Artikel bei German Foreign Policy verdanke ich Hans Christian WÄCHTER, den er heute auf seinem Kurzblog wie folgt einleitete:
Es ist ZEIT zu sterben

„Warum fordern sie nicht, dass Lazarette, Krankenhäuser, Medikamente, Wasser und Nahrungsmittel nach Syrien geschickt werden? NEIN, SIE SIND GEIL AUF DEN NÄCHSTEN KRIEG.“

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Besatzungspläne

19.04.2018 GFP

BERLIN/WASHINGTON/RIAD (Eigener Bericht) – US-Pläne zur Stationierung einer arabischen De-facto-Besatzungstruppe in Syrien begleiten die deutschen Bemühungen um eine Beteiligung an der „Neuordnung“ des Landes. Washington will seine illegal in Syrien installierten Truppen abziehen, zugleich aber verhindern, dass Iran in dem Land weiter an Einfluss gewinnt. Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton verhandelt deswegen nun mit mehreren arabischen Staaten, darunter Saudi-Arabien, über die Bildung von Einheiten, die unter dem Vorwand, den Krieg gegen den IS fortsetzen zu wollen, im Nordosten und Osten des Landes stationiert werden sollen – unter offenem Bruch des Völkerrechts. US-Experten warnen, Riad werde das vor allem als Chance begreifen, den Stellvertreterkrieg gegen Iran zu intensivieren. Die Bundeswehr wäre involviert, weil Luftwaffen-Tornados ihre Aufklärungsdaten der Anti-IS-Koalition liefern, der auch Saudi-Arabien angehört. Unterdessen stellen deutsche Medien einen Einsatz der Bundeswehr in Nordsyrien zur Diskussion – um den Vormarsch türkischer Truppen dort zu verhindern.

Suche nach Ersatz

Hintergrund der US-Pläne, eine arabische De-facto-Besatzungstruppe in Syrien zu installieren, ist die Absicht der Trump-Administration, die eigenen Streitkräfte aus dem Land abzuziehen. Dies entspricht der Politik der Vorgängerregierung unter Barack Obama, die ebenfalls um eine Reduzierung der US-Einheiten im Nahen und Mittleren Osten bemüht war; Ziel ist es, sich stärker auf den Machtkampf gegen China zu konzentrieren und dafür ein größeres militärisches Potenzial zur Verfügung zu haben. Zur Zeit sind – offiziell im Rahmen des Krieges gegen den IS, der immer noch in Teilen Nordostsyriens präsent ist – rund 2.000 US-Soldaten im Nordosten und Osten des Landes stationiert, gegen den Willen der syrischen Regierung und ohne jede völkerrechtliche Grundlage. In Washington heißt es, man wolle damit vor allem auch dem Einfluss Irans in Syrien entgegenwirken. Ursprünglich hatte Washington vor, nach dem Abzug der US-Streitkräfte die kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) als Stellvertreter gegen Iran zu nutzen.[1] Daraus wird aber nichts, da ein erheblicher Teil der kurdischen Kräfte sich aktuell auf den Krieg gegen die türkischen Invasionstruppen in Nordsyrien konzentriert. Die US-Administration ist deshalb auf der Suche nach Ersatz. (…)

Der vollständige Text im Anhang:

Besatzungspläne GFP 20180419

https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7581/

(…)

Bundeswehr nach Nordsyrien

Unterdessen stellen deutsche Medien alternative Besatzungspläne zur Diskussion. Sollten die US-Truppen aus Syrien abziehen, dann sei damit zu rechnen, dass die türkischen Streitkräfte einen Eroberungsfeldzug im kurdisch besiedelten Norden des Landes starteten, heißt es; dies müsse um jeden Preis verhindert werden. Frankreich sei diesbezüglich bereits aktiv geworden: Es habe sich nicht nur an der Ausbildung kurdischer Einheiten beteiligt; es habe zudem Spezialkräfte in der Region stationiert. Erst Ende März habe Präsident Emmanuel Macron den SDF Unterstützung zugesagt.[11] Dem solle sich die Bundesregierung anschließen: Eine „demonstrative französische und deutsche Truppenpräsenz in Nordsyrien“ könne „einen Krieg verhindern“, denn die Türkei werde nicht „der Kurden wegen einen Konflikt mit Europa wagen“. Für Berlin sei die Entsendung von Truppen nach Nordsyrien zwar „ein politischer Kraftakt und gesellschaftlicher Tabubruch“, doch seien die „Risiken … verhältnismäßig gering und der Nutzen enorm“.[12]

Weitere Links:

17. April 2018 um 11:34 Uhr | NDS

Gab es einen Gasangriff in Duma? Eine Reporterlegende hat da Zweifel

https://www.nachdenkseiten.de/?p=43542

TAGESSCHAU: Gutachten zu Syrien Luftangriff „grundsätzlich unzulässig“
Stand: 20.04.2018 15:10 Uhrhttps://www.tagesschau.de/ausland/syrien-angriff-gutachten-101.html

12. April 2018 – Peter Vonnahme

Gefährliche Anti-Russland-Hysterie: Nowitschok und das Gift der Theresa May
https://www.heise.de/tp/features/Gefaehrliche-Anti-Russland-Hysterie-Nowitschok-und-das-Gift-der-Theresa-May-4022365.html

04.04.2018
Jens Berger NDS– Fragen über Fragen

Abseits von Johnsons Lügen, Maas’ Verschwörungstheorien und der wieder einmal wie gleichgeschaltet wirkenden unkritischen Berichterstattung der großen Medien

haben sich auch einen Monat nach dem Giftanschlag leider nur sehr wenig belastbare neue Informationen ergeben.

https://www.nachdenkseiten.de/?p=43283

Ciao Stephan Best

Seymour M. HERSH: Trump‘s Red Line; welt.de, 25.06.2017

Globalcrisis/globalchange NEWS

Stephan Best

26.06.2017

Hallo an die Listen,

der in SPRINGERS WELT am 24. Juni auf Englisch veröffentlichte Artikel (Siehe 1. Anhang als PDF) schlug bei einigen Kommentatoren bombenähnlich ein.

Der international bekannte Investigativ-Journalist Pepe Escobar postete gestern auf Facebook zu diesem Artikel:

„Absolute must read.

Trump’s „Syria policy“ in a nutshell.

The fact Sy Hersh simply cannot publish something like this in the US speaks not volumes, but whole libraries.“

Prof. Dr. Günter Meyer vom Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt (ZEFAW) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, hat die US-Version als False-Flag-Operation dekonstruiert:

https://www.rubikon.news/artikel/giftgasmassaker-war-false-flag-operation

Jens BERGER (NACHDENKSEITEN) kommt zwar nicht mit einer deutschen Übersetzung des Artikels der WELT heraus, will aber dennoch, dass Hershs piece mit den wichtigsten Aussagen Verbreitung findet:

26. Juni 2017 um 15:38 Uhr | Verantwortlich: Jens Berger

Seymour Hersh zu Assads angeblichem Giftgasangriff und Trumps angeblichem Vergeltungsschlag

Veröffentlicht in: Medien und Medienanalyse, Militäreinsätze/Kriege

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Der große alte Mann des investigativen politischen Journalismus hat wieder zugeschlagen. Seymour Hershs Artikel „Trump´s Red Line“ befasst sich mit dem angeblichen Giftgasangriff von Khan Scheikoun am 4. April 2017 und dem drei Tage später folgenden Luftangriff der USA auf einen syrischen Militärflugplatz. Laut Hersh, der sich wie gewohnt auf hochrangige Quellen im US-Sicherheitsapparat bezieht, gab es nie einen Giftgasangriff. Syriens Luftwaffe habe vielmehr ein hochrangiges Treffen von Kommandeuren islamistischer Gruppierungen mit einer konventionellen Bombe angegriffen. Die „Vergeltung“ der USA war demzufolge vor allem eine persönliche Entscheidung Trumps, bei der Militärberater das Schlimmste gerade noch verhindern konnten. Sehr interessant ist auch, dass Hershs jüngster Artikel exklusiv in der WELT am Sonntag erschienen ist. Sein alter Partner London Review of Books hat offenbar Angst, als prorussisch und prosyrisch zu gelten. Da muss man ausnahmsweise auch mal den Hut vor WELT-Herausgeber Stefan Aust ziehen, der dieses brisante Stück publizierte. Von Jens Berger.

Leider sind die deutschsprachigen Versionen des Hersh-Artikels „Trumps rote Linie“ und der Hintergrundbericht „Im Nebel des Kriegs“ hinter der Bezahlschranke von welt.de. Die englischsprachigen Versionen „Trump´s Red Line“ und „The Fog of war“ sind jedoch frei zugänglich.

Seymour Hersh ist eine lebende Legende. Der Pulitzer-Preisträger deckte unter anderem 1969 das Massaker von My Lai auf und machte die Welt 2004 auf die Folterpraktiken im US-Gefängnis Abu-Ghraib aufmerksam. Regelmäßig schreibt er über sicherheitspolitische Themen, vor allem über die US-Kriege im Nahen und Mittleren Osten. Hershs große Stärke sind seine Netzwerke. Er verfügt über zahlreiche hochrangige Insiderquellen in den Ministerien, den Geheimdiensten und dem Militär, die er in seinen Artikeln anonym zitiert. Genau dies wird ihm von seinen Kritikern paradoxerweise immer wieder vorgeworfen. Es ist schon seltsam, dass Quellenschutz immer dann hinterfragt wird, wenn die Quellen der „offiziellen Deutung“ widersprechen. Die WELT hat, so Redakteur Dirk Laabs, Hershs Quellen selbst überprüft und für glaubwürdig befunden. Dies gibt den Vorwürfen Hershs eine besondere Bedeutung, können sie doch nicht mehr wie üblich als antiamerikanisch abqualifiziert werden. Denn eines kann man Springers WELT nun wirklich nicht vorwerfen – dass sie antiamerikanisch sei.

Der „Giftgasangriff“, der wohl keiner war

Was hat sich also am 4. April 2017 in Syrien abgespielt? Hershs Quellen zufolge hatten die Russen schon längere Zeit ein zweistöckiges Gebäude im Norden der von Islamisten besetzten Stadt Khan Scheikoun im Visier. Dort sollte sich, Geheimdienstberichten zufolge, eine Art Kommandozentrale der Islamisten befinden. Nach einer Überwachung des Gebäudes durch Drohnen war man der Überzeugung, mit einem gezielten Luftschlag zum richtigen Zeitpunkt hochrangige Kommandeure der Dschihadisten ausschalten zu können. Der Angriff wurde von der syrischen Luftwaffe durchgeführt. Als Waffe kam offenbar eine moderne russische lasergelenkte Bombe mit 500 Pfund Sprengstoff zum Einsatz. Der Angriff wurde den US-Militärs zuvor im üblichen Rahmen angekündigt – eine Praxis, die verhindern soll, dass man sich gegenseitig im gefährlichen syrischen Luftraum in die Quere kommt. Im besonderen Fall ging es – so Hershs Quelle – jedoch auch darum, dass die US-Dienste ihre Informanten oder Agenten unter den Dschihadisten vor dem Anschlag warnen konnten.

Die Bombardierung war offenbar erfolgreich. Geheimdienstberichten zufolge konnten vier hochrangige Kommandeure ausgeschaltet werden. Was danach passierte, entzieht sich jedoch auch für Hershs Quellen jeglicher Kenntnis. Minuten nach der Bombardierung wurden über YouTube und die Sozialen Netzwerke bereits Filme und Bilder von vermeintlichen Giftgasopfern gezeigt – die Quelle waren meist Gruppierungen wie die „Weißhelme“; eine vom Westen finanzierte syrische NGO, die massiv in der Kritik steht, Teil eines Informationskriegs gegen Russland und Syrien zu sein.

Es ist unmöglich, den Vorfall wirklich objektiv zu bewerten, da es keine belastbaren Belege gibt. Unabhängige Inspektoren waren nie vor Ort, die Proben, die von der OPCW untersucht wurden, stammten aus Material, das das türkische Gesundheitsministerium von „Oppositionellen“ bekommen hat und entziehen sich daher jeder Aussagekraft. Hershs Version ist jedoch auch nicht über jeden Zweifel erhaben, da syrische und russische Erklärungen über den Vorfall deutlich von den Aussagen der Quelle Hershs abweichen . Warum sollten die Syrer und die Russen etwas von einem offenbar zerstörten „Chemiewaffenlager“ der Islamisten vermelden, wenn es gar kein solches Lager gab? Die Vergiftungen der Menschen vor Ort erklärt Hershs Quelle damit, dass im Erdgeschoss des zerstörten Gebäudes ein Lager für Düngemittel, Insektizide und chlorhaltige Desinfektionsmittel untergebracht war, das angeblich durch eine „Sekundärexplosion“ chemische Giftstoffe freigesetzt haben soll. Über jegliche Zweifel erhaben ist diese Version auch nicht. Wesentlich stärker ist da schon das Argument von Hershs Quelle, dass Assad nicht nur kein Motiv gehabt hat, sondern dass ein Giftgasangriff sogar ganz entschieden gegen die syrischen Interessen gerichtet sei.

„Was den meisten Amerikanern gar nicht in den Sinn kommt, ist, dass ein syrischer Giftgasangriff, den Bashar [al Assad] befohlen haben soll, die Russen zehnmal mehr verärgert hätte als den Westen. Die russische Strategie gegen den IS, die ja eine Kooperation mit dem Westen vorsieht, wäre dahin und Basahr [al Assad] wäre dafür verantwortlich, Russland vor´s Schienbein getreten zu haben, ohne die Konsequenzen für ihn zu bedenken. Würde Bashar [al Assad] so was tun? Wo er gerade dabei ist, den Krieg zu gewinnen? Wollt Ihr mich veräppeln?“

Trumps Vergeltungsschlag sollte uns beunruhigen

Über jeden Zweifel erhaben ist indes die offizielle Reaktion der USA. Trump verfolgte die Folgen des angeblichen Giftgasangriffs Hersh zufolge zusammen mit dem jordanischen König im Fernsehen und war vom ersten Moment an schockiert. „Unschuldige Babies“ – dafür musste irgendwer bezahlen und wenn die Medien Assad als Schlächter ausgemacht hatten, war er es halt, der die Vergeltung der USA zu spüren bekommen sollte.

Interessant ist, dass laut Hersh die US-Dienste mehrfach unterstrichen haben sollen, dass es kein Indiz für eine syrische Täterschaft und noch nicht einmal einen starken Beweis dafür gebe, dass es überhaupt einen „Giftgasangriff“ gegeben hat. Das soll Trump aber nicht davon abgehalten haben, eine Vergeltung anzuordnen. Es ging nicht mehr um das „ob“, sondern nur noch um das „wie“.

Beschlossen wurde der Vergeltungsschlag bei einem Treffen des inneren Zirkels auf Trumps Anwesen in Mar-a-Lago. Es gab offenbar vier Optionen, von denen zwei (gar nichts zu tun und ein Enthauptungsschlag mit einer Bombardierung der Paläste Assads) von vornherein ausgeschlossen wurden. Übrig blieb die letzten Endes beschlossene, eher symbolische Bombardierung eines syrischen Luftwaffenstützpunktes und eine groß angelegte Bombardierung zahlreicher Einrichtungen des syrischen Militärs. Dabei soll – so Hershs Quelle – die „politische Seite“, allen voran Trump und Außenminister Rex Tillerson, eigentlich die letztere Option bevorzugt haben. Glücklicherweise konnten die Militärberater, die darauf hinwiesen, dass einem groß angelegten Bombardement auch russische Soldaten in den Luftabwehrstellungen zum Opfer fallen würden, sich durchsetzen und man entschied sich für einen symbolischen Akt, der möglichst wenig Schaden verursachen sollte. Nachdem man vorher die Russen und damit indirekt auch die Syrer vorwarnte, blieben die Folgen überschaubar: Offenbar traf nur ein Bruchteil der 60 Marschflugkörper überhaupt das Ziel und zerstörte dort lediglich neun, ohnehin nicht mehr einsatzfähige, Flugzeuge. Es hätte schlimmer kommen können.

Nun ist Trump einer von uns!

Zugegeben – je mehr man über die Vorgänge erfährt, desto skurriler wird die ganze Geschichte. Vor allem sollte man dabei im Hinterkopf behalten, dass der US-Vergeltungsschlag im Westen als die eigentliche Amtseinführung des neuen US-Präsidenten gewertet wurde. Schaut her, auch Trump führt Kriege! Nun ist er einer von uns – ein „ganz normaler“ US-Präsident.

Die Lektion aus dem Vorfall lässt jedoch Schlimmes erwarten. Wenn es den Islamisten mit Hilfe gelungener PR-Arbeit gelungen ist, Trump einmal in die „Rote-Linie-Falle“ laufen gelassen zu haben, werden sie dies auch noch weitere Male probieren. Und dann kann Trump nicht mehr hinter seine eigene Doktrin zurück – er muss wieder Vergeltung üben und diese Vergeltung muss noch deutlicher ausfallen. So will es die Macho-Logik, der sich ein Trump allem Anschein nach unterworfen hat. Diesmal konnten ihn seine Berater noch davon abhalten, russische Militärs zu bombardieren und so eine internationale Krise auszulösen. Wird ihnen das beim nächsten Mal auch noch gelingen?

Auch die Bewertung des Giftgasangriffs als vermeintliche False-Flag-Aktion ist beunruhigend, zeigt sie doch, wie leicht es ist, eine willfährige Mehrheit der Medien ohne echte Belege hinters Licht zu führen. Qualitätskontrollen scheint es keine mehr zu geben, wenn quotenstarke Bilder von toten Kindern angeboten werden. Bleibt abzuwarten, ob die WELT selbst ihre Schlüsse aus diesem ungewöhnlichen Gastartikel zieht. Ihre kleine Schwester BILD gehörte im April jedenfalls zu den schrillsten Lautsprechern der islamistischen Propaganda.1

Der vollständige Artikel der NACHDENKSEITEN ist ebenfalls als 2. PDF angehängt

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Und hier zum Originaltext:

www.welt.de/politik/ausland/article165905578/Trump-s-Red-Line.html

Trump‘s Red Line

Von Seymour M. Hersh

25.06.2017

President Donald Trump ignored important intelligence reports when he decided to attack Syria after he saw pictures of dying children. Seymour M. Hersh investigated the case of the alleged Sarin gas attack.

On April 6, United States President Donald Trump authorized an early morning Tomahawk missile strike on Shayrat Air Base in central Syria in retaliation for what he said was a deadly nerve agent attack carried out by the Syrian government two days earlier in the rebel-held town of Khan Sheikhoun. Trump issued the order despite having been warned by the U.S. intelligence community that it had found no evidence that the Syrians had used a chemical weapon.

The available intelligence made clear that the Syrians had targeted a jihadist meeting site on April 4 using a Russian-supplied guided bomb equipped with conventional explosives. Details of the attack, including information on its so-called high-value targets, had been provided by the Russians days in advance to American and allied military officials in Doha, whose mission is to coordinate all U.S., allied, Syrian and Russian Air Force operations in the region.

Some American military and intelligence officials were especially distressed by the president’s determination to ignore the evidence. „None of this makes any sense,“ one officer told colleagues upon learning of the decision to bomb. „We KNOW that there was no chemical attack … the Russians are furious. Claiming we have the real intel and know the truth … I guess it didn’t matter whether we elected Clinton or Trump.“

Within hours of the April 4 bombing, the world’s media was saturated with photographs and videos from Khan Sheikhoun. Pictures of dead and dying victims, allegedly suffering from the symptoms of nerve gas poisoning, were uploaded to social media by local activists, including the White Helmets, a first responder group known for its close association with the Syrian opposition.

(…)

– full text attached (pdf, 12 p) and available via www.welt.de/politik/ausland/article165905578/Trump-s-Red-Line.html

Ciao Stephan Best

Rezension der Nachdenkseiten zu Michael LÜDERS Bestseller 25 April, 2017

Globalcrisis/globalchange NEWS

Stephan Best

24.04.2017

Hallo an die Listen,

Angesichts einer vielkanaligen Schlammschlacht gegen den Autor Michael LÜDERS fällt eine Rezension bei den Nachdenkseiten besonders positiv aus dem Rahmen, den die Verunglimpfer gesteckt haben.

Am Ende seines unbedingt lesenswerten Buches ‚Die den Sturm ernten’ finden sich erstaunliche Feststellungen des Autors:

„Alles in dieser Welt schwitzt das Verbrechen aus: die Zeitung, die Mauern und das Gesicht des Menschen.»

Baudelaire

(…)

„Vieles von dem, was ich, der Autor dieses Buches, im Verlaufe der Recherche erfahren musste, hätte ich am liebsten gar nicht erst gewusst – weil auf einmal vermeintliche Gewissheiten oder längst verinnerlichte Überzeugungen auf dem Prüfstand stehen. Wie geht man damit um, wenn das, was zu den größten Errungenschaften unserer Zeit gehört, nämlich Freiheit und Demokratie, in der Geopolitik zu purem Zynismus verkommt?“

Auszug aus: Lüders, Michael. „Die den Sturm ernten.“

Michael Lüders muss nach der Recherche zu seinem Buch eine nachhaltige Erschütterung heimgesucht haben. Angesichts seiner Einsichten und Fakten, die er vermittelt, erscheint bloße Empörung gegenüber Neokolonialismus und westlicher Geopolitik etwas zu kurz gesprungen. Etwas weiter geht da schon der Leserbriefschreiber Marco Wenzel, der anstatt am Ende seiner Mail dem Empörungsstau eine weitere Empörung hinzu zu fügen zu klaren Handlungskonsequenzen gelangt.

Nachfolgend dokumentiere ich eine gelungene Rezension von Udo BRANDES auf den NachDenkSeiten zusammen mit zwei Leserbriefen.

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DOKUMENTATION

20. April 2017 um 9:22 Uhr | Verantwortlich: Albrecht Müller

Rezension von Michael Lüders neuem Buch über den Syrienkrieg und zwei Lesermails zum Thema

Veröffentlicht in: Rezensionen

Wie bekannt ist, hat der Nahost-Experte Michael Lüders ein weiteres Buch zum Syrienkrieg vorgelegt. Udo Brandes hat es für die Nachdenkseiten gelesen. Sein Fazit: Eine unverzichtbare Lektüre für alle, die sich ein differenziertes Bild vom Syrienkrieg machen möchten. Siehe zum Thema auch das Interview mit Michael Lüders auf den NachDenkSeiten: Anne Will arbeitet mit einer bösartigen Unterstellung, so Michael Lüders im NDS-Interview. – Passend zum Thema folgen als Anlage noch ein Leserbriefe von Bernd Duschner und eine Mail von Marco Wenzel, einem NachDenkSeiten-Leser aus Thailand. Albrecht Müller.

„Ich empöre mich, also sind wir“

Eine Rezension von Udo Brandes

Michael Lüders hat seinem neuen Buch (Titel: „Die den Sturm ernten. Wie der Westen Syrien ins Chaos stürzte“) ein Zitat des 2015 verstorbenen SPD-Politiker Egon Bahr vorangestellt:

„Wenn ein Politiker anfängt, über ‚Werte’ zu schwadronieren, anstatt seine Interessen zu benennen, wird es höchste Zeit, den Raum zu verlassen.“

Ich selbst hatte mir vor längerer Zeit ein ähnliches Zitat von Egon Bahr archiviert. Anlässlich einer Diskussion mit Schülern in der Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg gab Egon Bahr diesen Folgendes mit auf den Weg:

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“ (Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung vom 04.12.2013)

Regime-Change-Politik für geopolitische Interessen

Auch in Syrien, so Lüders, gehe es nicht um Werte, sondern um Interessen:

„Geopolitik ist dabei das Schlüsselwort. (….) Auf syrischem Boden kämpfen die USA und Russland, aber auch der Iran und Saudi-Arabien und nicht zuletzt die Türkei um Macht und Einfluss. Die Hauptakteure allerdings sind seit 2012 Washington und Moskau.“ (S. 11)

Lüders zeigt anhand vieler Beispiele, dass die USA seit Jahrzehnten versuchen, ihre Interessen durch eine Regime-Change-Politik durchzusetzen – obwohl dieser Ansatz regelmäßig gescheitert ist. Aber genauso unbelehrbar wie ein neurotischer Mensch, der seine Konflikte zu lösen versucht, indem er genau das Verhalten verstärkt, das ihm seine Probleme beschert, versuchen die US-Regierungen immer wieder aufs Neue, mit Regime-Change-Politik ihre Interessen durchzusetzen.

Eine wichtige Rolle spielen dabei die Geheimdienste, insbesondere der CIA. Dieser wurde 1947 mit zwei Aufträgen gegründet, so Lüders: Erstens sollte er Informationen sammeln sprich spionieren. Und zweitens sollte er verdeckte Operationen ausführen, um unliebsame Regierungen zu stürzen, die die Interessen der USA stören. Was nur wenigen Menschen bewusst sei: Diese Art von Interventionen habe Millionen von Menschen das Leben gekostet.

„Wer etwa die endemische Bandengewalt im heutigen Zentralamerika, den Putsch gegen Chiles Präsidenten Allende 1973, den Aufstieg Pol Pots in Kambodscha in der 1970er Jahren, den Staatszerfall im Kongo oder die iranische Revolution verstehen will, landet unweigerlich in Washington oder Langley, dem Sitz der CIA. Syrien reiht sich ein in diese Chronik – seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als die USA die vormaligen Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich als entscheidender Machtfaktor im Nahen und Mittleren Osten abzulösen begannen.“ (S. 13)

Das Muster der US-Politik sei immer gleich: Es werden oppositionelle Gruppen unterstützt, die das bestehende Regime bekämpfen – womit die US-Regierungen sich regelmäßig höchstselbst neue Feinde heranzüchteten. So zum Beispiel in Afghanistan. Dort finanzierten und bewaffneten die USA mit saudischer und pakistanischer Unterstützung die Mudschahedin, also Glaubenskämpfer, die gegen die sowjetischen Truppen kämpften. Genau aus diesen Glaubenskämpfern gingen später Al-Quaida und die Taliban hervor. Auch Osama Bin Laden gehörte zu diesen Glaubenskämpfern.

Werte: Chiffre für die Legitimation militärischer Gewalt

Die USA schreckten bei ihrer Regime-Change-Politik auch nicht davor zurück, demokratische Regierungen zu stürzen. So wurde 1953 der demokratisch gewählte iranische Ministerpräsident Mossadegh durch einen von britischen und US-Agenten inszenierten Putsch gestürzt. Sein Fehler war: Er hatte es gewagt, die Erölindustrie zu verstaatlichen. Durch den Staatsstreich kam der Schah an die Macht – und wurde seinerseits von der Islamischen Revolution hinweggefegt, was Lüders als

„zeitversetzte, radikale Antwort auf den Putsch von 1953“ (S. 18)

einordnet. Man kann Lüders also beim besten Willen nicht widersprechen, wenn er sagt:

„Im Kontext von Geopolitik sind ‚Werte’ wenig mehr als eine Chiffre, die der Eigenlegitimation militärischer Gewalt dient – zur Durchsetzung hegemonialer Macht. Ähnlich wie in kolonialen Zeiten das Wort von der ‚Zivilisation’, an die heranzuführen es die Eingeborenen angeblich galt – um mit Hilfe dieser Umschreibung so unschöne Begriffe wie Ausbeutung oder Landraub zu vermeiden.“ (S. 164)

Die Fakten, mit denen Lüders seine Position begründet, sind erdrückend. Dies war erst jüngst bei der Talkshow Anne Will zu beobachten, zu der auch Michael Lüders als Experte eingeladen war. Dort wurde schnell die argumentative Hilflosigkeit des medialen und politischen Mainstreams sichtbar. Anne Will sah sich genötigt, Michael Lüders als Person zu diffamieren, weil sie offensichtlich nicht wusste, wie sie seine Argumente entkräften sollte. Ebenso der ehemalige US-Botschafter John Kornblum, der zum stigmatisierenden Schlagwort „Verschwörungstheorie“ griff. (Siehe dazu auch auf den Nachdenkseiten hier und hier).

Geopolitische Interessen in Syrien

Was konkret sind nun die geopolitischen Interessen, um derentwillen diverse Mächte in Syrien Krieg führen? Zum einen geht es dabei um eine Erdgaspipeline. Das Golfemirat Katar gab im Jahr 2000 Pläne für den Bau einer Pipeline bekannt, die zehn Milliarden Dollar kosten sollte und über 1500 Kilometer durch Saudi Arabien, Jordanien und Syrien bis in die Türkei führen sollte.

„Die Katar/Türkei-Pipeline, sollte sie je gebaut werden, würde den wirtschaftlichen und politischen Einfluss der sunnitischen Herrscherhäuser am Golf gegenüber Teheran stärken. Entsprechend wurden die katarischen Pläne in Washington umgehend begrüßt. Und auch die Europäische Union, die rund ein Drittel ihres Bedarfs aus Russland bezieht, stand dem Projekt aufgeschlossen gegenüber.“ (S. 71)

Aus westlicher Sicht bedeutet der Bau einer solchen Pipeline überdies, dass die Gaspreise sinken würden und die Abhängigkeit von russischem Gas für die Europäische Union geringer würde. Von den sinkenden Preisen würde auch die Türkei profitieren, und zudem noch von Transitgebühren, die bei einer Pipeline über türkisches Gebiet fällig würden. Deshalb kommt Lüders zu dem Schluss:

„Es verwundert nicht, dass Moskau die Pipeline als existentielle Bedrohung ansieht. (…) Alternativ schlug Russland den Bau einer ‚Islamischen Pipeline’ vor, die von der iranischen Seite des Gasfeldes über Irak und Syrien in den Libanon führen sollte. “ (S. 71)

2009 kam dann das endgültige Aus für die Katar/Türkei-Pipeline, als Assad erklärte, dass er dem Verlauf der Pipeline über syrisches Gebiet nicht zustimmen werde. Stattdessen wurde der Bau einer sogenannten „Islamischen Pipeline“ vorangetrieben.

„Im Juli 2012, als der Krieg in Syrien auch Damaskus und Aleppo erreicht hatte, verständigten sich die Regierungschefs Syriens, Iraks und Irans auf ein ‚Memorandum of understanding’ für Investitionen in Höhe von 10 Milliarden Dollar – für den Bau einer ‚islamischen’ Pipeline-Variante.“ (S. 72)

Michael Lüders legt in seiner Darstellung nahe, dass diese Entscheidung ein wichtiges Motiv für die USA gewesen sei, das Assad-Regime zu stürzen. Er verweist dazu auf einen Artikel von Robert F. Kennedy junior, einen Neffen von John F. Kennedy.

Aber der Konflikt in und um Syrien sei keineswegs allein auf das Pipeline-Projekt zurückzuführen. Er sei vielmehr Teil eines noch viel größeren geopolitischen Puzzles. Es sei den USA seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion darum gegangen, das Machtvakuum zu nutzen, um ihre Vormachtstellung im Nahen und Mittleren Osten auszubauen. Er zitiert dazu den ehemaligen Staatssekretär im Pentagon, Paul Wolfowitz. Der habe 1991 gesagt:

„Ich denke mal, dass wir noch fünf bis zehn Jahre Zeit haben, um unter den alten sowjetischen Klientelregimen aufzuräumen – Syrien, Iran, Irak. Bis dann die nächste Supermacht auf den Plan tritt und uns Grenzen setzt.“ (S. 75)

Genau diesen Widerstand und die Grenzen ihrer Macht erlebten die USA nun in Syrien. Moskau habe in Afghanistan einen Regime Change hingenommen, ebenso im Irak 2003. Aber spätestens 2011 beim Sturz Ghaddafis sei aus Moskaus Sicht die rote Linie überschritten worden. Hieraus erkläre sich die harte Haltung Moskaus, das Syrien niemals aufgeben werde, weil dieses genau wie die Ukraine der Hinterhof Russlands sei.

Auch wenn man nicht jede einzelne These von Michael Lüders teilen sollte: Nach der Lektüre seines Buches wird man nur noch milde lächeln können, wenn Ursula von der Leyen oder Angela Merkel mal wieder von der „westlichen Wertegemeinschaft“ sprechen. Und der Öffentlichkeit weismachen wollen, diese „Wertegemeinschaft“ würde in Syrien oder anderswo Freiheit, Demokratie oder Menschenrechte militärisch verteidigen. Es geht immer um knallharte Interessen. Wenn wirklich die genannten Werte eine Rolle spielten, würden westliche Länder nicht ein Land wie Saudi Arabien mit Waffen beliefern. Ein Land, auch das beschreibt Michael Lüders in seinem Buch, das einen grausamen Krieg gegen Jemen führt und dort bewusst zivile Strukturen wie Schulen, Krankenhäuser oder die Wasserversorgung zerstört. Dort habe es bis Ende 2016 schon mehr als 10.000 Todesopfer gegeben. Humanitär sei die Lage vergleichbar katastrophal wie in Syrien. 14 Millionen Menschen litten unter Mangelernährung. Warum wird dieser Krieg in westlichen Medien kaum zur Kenntnis genommen? Vielleicht weil die „westliche Wertegemeinschaft“ dort das Gegenteil von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten unterstützt?

Die Fratze, die uns ein Spiegelbild vorhält

Ich kann Michael Lüders Fazit nur zustimmen:

„Der ‚Islamische Staat’ und andere dschihadistische Gewalttäter sind nichts weniger als die Fratze, die uns ein Spiegelbild vorhält, die Quittung präsentiert für ein Jahrhundert Unterwerfung. Baschar al-Assad darf sicherlich als Schwerverbrecher gelten. Aber sind George W. Bush, Dick Cheney, Paul Wolfowitz, Tony Blair oder Nicolas Sarkozy, um eine beliebige Auswahl zu treffen, so viel besser? Wer andere Länder systematisch und gezielt zerstört, der sollte sich nicht wundern, wenn eines Tages die Bomben auch im eigenen Vorgarten hochgehen. Auf diesen Zusammenhang hinzuweisen rechtfertigt keinen Terror, aber es hilft, ihn zu verstehen.“ (S. 166/167)

Was also tun? Diese Frage stellt auch Michael Lüders und empfiehlt, Medien, Politiker und sogenannte Denkfabriken immer wieder kritisch zu hinterfragen. Und verweist auf ein Zitat von Albert Camus: „Ich empöre mich, also sind wir.“

Wer sich nicht von dem moralisierenden Gut/Böse-Schema des medialen und politischen Mainstreams den Blick vernebeln lassen will und sich ein differenziertes Bild vom Syrienkrieg machen möchte, für den ist dieses Buch eine unverzichtbare Lektüre. Es informiert umfassend über die Hintergründe des Syrienkrieges sowie über historische, politische und soziale Entwicklungen der Staaten im Nahen und Mittleren Osten. Ich kann es nur empfehlen.

Michael Lüders: Die den Sturm ernten. Wie der Westen Syrien ins Chaos stürzte, C. H. Beck-Verlag, München 2017, 176 Seiten, 14,95 Euro

Anlage:Zwei Lesermails zum Thema:

1. Leserbrief von Bernd Duschner im Donaukurier

Anbei ein am 19.4.2017 veröffentlichter Leserbrief von Bernd Duschner zum US-Angriff auf Al-Schairat. Dazu schreibt er: „Leider wird die schändliche Rolle der Führung der syrischen Kurden als Handlanger der USA bei der Zerlegung des syrischen Staates bei weiten Teilen der Friedensbewegung nicht erkannt.“

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2. Ein Übersichtsartikel von Marco Wenzel aus ThailandVon roten Linien und Giftgas in Syrien

Ciao Stephan Best

Texte zum Giftgasangriff in Khan Shaykhun, Syrien – Kritik der Erzählung des Weißen Hauses

globalcrisis/globalchange NEWS
Martin Zeis, 19.04.2017

Hallo mitnand,

die NDS haben heute die Übersetzung der von MIT-Professor (em.) Theodore A. Postol am 11.04.2017 verfassten Einschätzung des US-Geheimdienst-Reports zum Giftgasangriff in Khan Shaykhun (Syrien) veröffentlicht. Der Anfang dieses Textes ist unten wiedergegeben.

Die englische Originalfassung ist verfügbar über: http://imgur.com/ZSl8o42 ( Theodore Postol – A Quick Turnaround Assessment of the White House Intelligence Report Issued on April 11, 2017 About the Nerve Agent Attack in Khan Shaykhun, Syria – Imgur )

Vor einigen Tage hatte bereits Prof. Dr. Günter Meyer auf dem Portal Rubicon.news die von den deutschen Medien sofort übernommene Story des Weißen Hauses, Assad sei der Täter, dekonstruiert. Siehe:
https://www.rubikon.news/artikel/giftgasmassaker-war-false-flag-operation

Schnelle Einschätzung des Geheimdienst-Reports, den das Weiße Haus am 11. April 2017 herausgegeben hat zum Giftgasangriff in Khan Shaykhun, Syrien
Von Theodore A. Postol, Emeritierter Professor für Wissenschaft, Technologie und Nationale Sicherheitspolitik am Massachusetts Institute of Technology

„Lieber Larry,

ich beziehe mich auf das, was ich als ein Statement des Weißen Hauses verstehe, das Behauptungen aufstellt über geheimdienstliche Erkenntnisse zum Giftgasangriff am 4. April 2017 in Khan Shaykhun in Syrien. Aus Ihrer Nachricht entnehme ich, dass diese Zusammenfassung geheimdienstlicher Informationen im Laufe des 11. April 2017 herausgegeben wurde.

Ich habe mir das Dokument aufmerksam angesehen, und ich glaube, dass man zweifelsfrei zeigen kann, dass das Dokument keinen Beweis irgendeiner Art dafür liefert, dass die US-Regierung konkret weiß, dass die syrische Regierung Verursacher des Giftgasangriffs in Khan Shaykhun, Syrien, um ca. 6:00 bis 7:00 Uhr am 4. April 2017.

Tatsache ist, dass ein in dem Dokument angeführtes Beweisstück auf einen Angriff hinweist, der am Morgen des 4. April von Einzelpersonen am Boden verübt wurde, nicht aus der Luft.

Dieser Schluss basiert auf einer Vermutung, die das Weiße Haus anstellt hinsichtlich des Giftgasbehälters und der Fotos dieses Behälters. Meine Einschätzung ist, dass dieser Behälter höchst wahrscheinlich manipuliert oder inszeniert ist, so dass keine ernsthaften Schlüsse aus den vom Weißen Haus vorgelegten Fotos gezogen werden können.

Wenn man – wie das Weiße Haus – annimmt, dass das Sarin an dieser Stelle ausgetreten ist und dass an dieser Stelle nicht manipuliert worden ist, dann ist die plausibelste Schlussfolgerung, dass das Sarin aus einem improvisierten Behälter ausgetreten ist, der aus einem 122mm Raketenrohr bestand, in das das Sarin gefüllt war und das auf beiden Seiten verschlossen war.

Die einzige unbestreitbare Tatsache im Bericht des Weißen Hauses ist, dass an jenem Morgen in Khan Shaykhun ein Chemiewaffenangriff mit Giftgas stattgefunden hat. Der Report wiederholt diesen Punkt an vielen Stellen, aber er enthält absolut keinen Beweis dafür, dass es sich dabei um einen Angriff mit einer Munition handelt, die aus einem Flugzeug abgeworfen wurde. Tatsächlich gibt es im Report keinen Beweis dafür, wer der Urheber dieser Gräueltat war. (…)“

Quelle: http://www.nachdenkseiten.de/?p=37887

Seniora.org – Der Postol Report zum kürzlichen Gas-Angriff in Syrien

Eric Zuesse 18.04.2017

Weil dieser Bericht von lebenswichtiger Tragweite für Mensch und Natur ist, haben wir ihn ins Deutsche übersetzt.

Danke für die Übersetzung!

Der Postol Report zum kürzlichen Gas-Angriff in Syrien

 

Quelle: Seniora.org – Der Postol Report zum kürzlichen Gas-Angriff in Syrien

-= Der vollständige Text in engl. und deutscher Sprache im Anhang =-

POSTOL Giftgasangriff 20170418

Aus aktuellem Anlass dokumentiert: Positionspapier einiger Abgeordneter der Partei Die Linke zum deutschen Fregatteneinsatz im Mittelmeer – 07.04.2014

Von: Ste B <sbest>
Datum: Mittwoch, 9. April 2014 19:14
An: Global Crisis <globalcrisis%Martin.zeis>
Betreff: Aus aktuellem Anlass dokumentiert: Positionspapier einiger Abgeordneter der Partei Die Linke zum deutschen Fregatteneinsatz im Mittelmeer – 07.04.2014

07.04.2014

Positionspapier zum deutschen Fregatteneinsatz im Mittelmeer

Fregatte im Einsatz, Bild: wikimedia

Fregatte im Einsatz, Bild: wikimedia

Von Sevim Dagdelen, Sahra Wagenknecht, Alexander Neu, Niema Movassat, Heike Hänsel, Inge Höger, Annette Groth, Alexander Ulrich, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Karin Binder, Pia Zimmermann, Hubertus Zdebel, Azize Tank, Katrin Werner

Am Mittwoch, 9. April steht die Namentliche Abstimmung im Deutschen Bundestag über den Antrag der Bundesregierung zur „Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen“ an. Aus prinzipieller Sicht, aber gerade auch angesichts der konkreten Sachlage, empfehlen wir der Fraktion DIE LINKE diesen Antrag abzulehnen.

Unsere Antwort muss zivil bleiben. Wir wollen den zivilen Beitrag Deutschlands zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen ausweiten. Wir bleiben dabei, dass unsere Antwort eben nicht militärisch sein darf. Auslandseinsätze der Bundeswehr lösen kein einziges Problem. Im Gegenteil schaffen sie ständig neue Probleme. Die Bundeswehr ist an der Vernichtung der Chemiewaffen aus Syrien beteiligt, ohne dass sie an einem Auslandseinsatz teilnehmen muss: Die sichergestellten Chemiewaffen werden u.a. nach Munster gebracht, wo sie vernichtet werden. Deutschland erbringt damit einen maßgeblichen Beitrag zur Vernichtung der Chemiewaffen. Das ist konkrete Abrüstungspolitik.

Wenn man sich das Mandat genau anschaut, ergeben sich zudem eine ganze Reihe von neuen Risiken, die mit dem Einsatz eines deutschen Kriegsschiffs verbunden sind. Gerade auch vor dem Hintergrund der Beendigung der militärischen NATO-Russland-Kooperation, einer neuen Eskalation der USA, Saudi-Arabiens und der Türkei mit False-Flag-Operations und der möglichen Vorbereitung eines Angriffskriegs gegen Syrien, ist äußerste Vorsicht geboten. In dieser Situation wäre es extrem fahrlässig, der Bundesregierung mit einer Enthaltung oder gar einer Zustimmung eine unwidersprochene carte blanche für ihren Militäreinsatz zu erteilen.

Die Anfrage für die Entsendung des deutschen Kriegsschiffs kommt direkt von den USA. Die Frage, ob neben einer symbolischen Funktion, hier eine deutsche Entlastung der Kriegsmarine der USA für andere Aufgaben, nach dem Vorbild der Abstellung deutscher Wachmannschaften zur Bewachung von US-Kasernen im Vorfeld des Irak-Krieges übernommen werden soll, bleibt ungeklärt. Nicht zuletzt ist es aber gerade auch der Kontext einer verstärkt militarisierten deutschen Außenpolitik, der eine Ablehnung des Einsatzes nahelegt. Seit der Münchener Sicherheitskonferenz und den Erklärungen von Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen, mehr deutsche Weltgeltung mit einer Ausweitung deutscher Auslandseinsätze erreichen zu wollen, wird im Bundestag nahezu in jeder Sitzungswoche über einen neuen Auslandseinsatz abgestimmt. Die Einsätze sind niedrigschwellig wie die Ausbildungsmission in Somalia oder auch der Lufttransport für Streitkräfte in die Zentralafrikanische Republik. Trotzdem stehen die Auslandseinsätze für eine verfehlte deutsche Außenpolitik, die auf Weltgeltung mittels der Entsendung deutscher Soldaten setzt. Bei der SPD war der Türöffner für Auslandseinsätze der Bundeswehr die Zustimmung zum Sanitätseinsatz in Kambodscha 1992. Wir möchten nicht, dass für DIE LINKE der Einsatz einer Fregatte im Mittelmeer als Öffner für eine Zustimmung zu Auslandseinsätzen wird. Im Folgenden haben wir einige Fragen aufgeworfen, die uns für die Entscheidung gegen den Einsatz eines deutschen Kriegsschiffs im Mittelmeer von Belang scheinen.

Worum geht es bei dem deutschen Fregatteneinsatz im Mittelmeer? Was will die Regierung in ihrem Antrag an den Bundestag beschlossen sehen?

Die Bundesregierung möchte eine Fregatte der Bundeswehr entsenden, um das Schiff der US-Marine ‚MV Cape Ray‘ zu beschützen. Angeblich soll eine Bedrohung durch Terroristen vorliegen, so wird in Medien und von einzelnen Politikern suggeriert. Dazu sollte man wissen, dass bereits seit 12 Jahren die NATO-Operation „Active Endeavour“ im Mittelmeer existiert, um mögliche Terroristen im Mittelmeer zu finden. Bis heute hat es keinen einzigen Terroristen gegeben, der den NATO-Kräften in die Hände gefallen ist. Der Antrag der Bundesregierung formuliert beispielsweise: „Der Begleitschutz richtet sich gegen mögliche Bedrohungen aus der Luft, Über- und Unterwasser unter Einschluss asymmetrischer Bedrohungen, jedoch unter Ausschluss des Schutzes an Bord der CAPE RAY selbst.“ Eine der außerdem im Antrag genannten Aufgaben soll die Selbstverteidigung im Mittelmeer sein, das heißt die Bundesregierung entsendet Schiffe in angeblich gefährdete Gebiete, damit sie sich dann dort vor Ort selbst verteidigen können.

Ist der Schutz der CAPE RAY auch ohne Bundeswehr gewährleistet?

Der Schutz des Schiffes ‚MV Cape Ray‘ ist bereits umfassend gewährleistet. Auf dem Schiff befinden sich 60 Zivilangestellte des US-Verteidigungsministeriums. Auch an der Operation beteiligt ist das norwegische „Marinejegerkommandoen“, welches der US-Admiral William H. McRaven jüngst als eine der besten Spezialeinheiten der Welt bezeichnete. Auch nehmen norwegische, dänische, chinesische und finnische Kriegsschiffe an dieser Mission teil. Ein Ring von mehreren Kriegsschiffen aus diversen NATO-Staaten sowie China und Finnland soll um die ‚MV Cape Ray‘ gebildet werden, sodass es keine erkennbare in Frage kommende militärische Kraft gibt, die unter diesen Umständen in der Lage wäre die Chemiewaffen zu entwenden.

Was ist das Einsatzgebiet?

Bei dem Einsatzgebiet dürfte es sich um das größte Einsatzgebiet in der Geschichte der Auslandseinsätze der Bundeswehr handeln. Die Gebiete, in dem die Bundeswehrschiffe operieren sollen, sind das „Mittelmeer und bei Bedarf im Nordatlantik mit angrenzenden Seegebieten in internationalen Gewässern“. Mit an die 50 Millionen Quadratkilometer deckt das Mandat damit einen äußerst großen Teil der Nordhalbkugel der Erde ab.

Wie entstand die Mission ursprünglich? Und was hat sich daran durch die Reaktion auf die Ereignisse in der Ukraine geändert?

Ursprünglich entstand diese Mission als Operation des NATO-Russland-Rates, dessen Arbeit aber die NATO-Staaten durch die Beendigung jeder sicherheitspolitischen Kooperation mit Russland, aufgrund ihrer Ukraine-Politik, eingestellt haben. Ein Mandat des UNSicherheitsrates zur militärischen Absicherung des Chemiewaffenvernichtungsprogramms liegt nicht vor. Die Bundesregierung beruft sich auf die UN-Sicherheitsratsresolution 2118 vom 27. September 2013, in welcher aber von dem Mittelmeereinsatz nicht die Rede ist. De facto handelt es sich um eine Selbstermächtigung der entsprechenden NATO-Gremien, die in Abstimmungen mit den Marinestreitkräften Chinas und Finnlands handeln. Die konkrete Anfrage an Deutschland ist eine Anfrage der USA.

Was für ein Einsatz ist das? Kapitel-7-Einsatz? Kampfeinsatz?

Zwar schreibt die Bundesregierung „[die] Beteiligung deutscher Streitkräfte erfolgt auf Grundlage der Resolution 2118 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 27. September 2013 […]“ (Antrag der Bundesregierung auf Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW Mission zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen), jedoch ist in dieser Resolution keine Rede von einem Militäreinsatz der UNO. Bei dem Einsatz handelt es sich nicht um einen klassischen UN-Blauhelm-Einsatz oder gar um eine so genannte friedenserzwingende Maßnahme. Es geht vielmehr um einen Kampfeinsatz gegen die möglichen Gefahren im Mittelmeer, bei dem jedoch die Gefährdungsstufe als äußerst niedrig einzustufen ist. Zwar beruft sich die UN-Resolution 2118 auf Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen („Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“), jedoch ist die Mission selbst keine Kapitel-VII-Mission, sondern eine selbstermächtigte Aktion einer Reihe von Staaten.

Ist der Einsatz für das vorgegebene Ziel geeignet? Ist die Bundeswehr für die Terrorabwehr zuständig?

Ein Einsatz der Bundeswehr zur Terroristenjagd – selbstmandatiert durch den Militärpakt NATO –, mit dem Schiffe der Bundesmarine ins Mittelmeer geschickt werden, ist im Grundgesetz nicht vorgesehen. Die Bundesregierung beteiligt sich bisher mit zivilen Mitteln an der Beseitigung der syrischen Chemiewaffen.

Welche Gefahren beinhaltet der Einsatz?

Bei dem Einsatz ergeben sich zahlreiche Gefahren. Zum einen ist der Einsatzraum stark ausgeweitet, zum anderen sieht das Mandat auch Aufgaben wie die Überwachung des Mittelmeeres vor, die nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Absicherung der Giftgasvernichtung stehen. Die Gefahr ist auch, dass mit diesem Mandat weitere Schiffe der Bundeswehr ins Mittelmeer verlegt werden könnten, die dann kurzfristig bei einer weiteren Eskalation gegen Syrien mit herangezogen werden könnten. Erst vor kurzem hat US-Präsident Obama mit dem König von Saudi-Arabien entschieden, die bewaffnete Opposition in Syrien weiter aufrüsten zu wollen. Ein jüngst veröffentlichtes Gespräch zwischen dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoğlu, dem Chef des türkischen Geheimdienstes (MIT) Hakan Fidan, Vizegeneralstabschef Yaşar Güler und dem türkischen Staatssekretär Feridun Sinirlioğlu über eine mögliche False-Flag-Operation türkischer Militärs in Syrien beweist erneut, dass einige der NATO-Staaten gewillt sind, auch unter Heranziehung gefälschter „Beweise“, einen Krieg gegen Syrien vom Zaun zu brechen, während die Bundesregierung und die NATO selbst zu diesen Vorfällen schweigen.

Ist das ein Auslandseinsatz?

Selbstverständlich handelt es sich um einen Auslandseinsatz. Im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS) ist das Hoheitsgebiet aller Länder jeweils auf 12 nautische Meilen (22 Kilometer) begrenzt. Die deutschen Gewässer reichen lediglich in die Ost- und in die Nordsee. Alles andere ist Ausland. Zwar findet der Einsatz nicht direkt in einem anderen Land statt, aber das Mittelmeer gehört definitiv nicht zum deutschen Inland und ist auch kein deutsches Hoheitsgewässer. Auch internationale Gewässer gehören zum Ausland.

Wie ist die Beschlusslage der Partei?

In Erfurter Grundsatzprogramm ist eine Ablehnung von Kampfeinsätzen oder Auslandseinsätzen der Bundeswehr klar verankert: „Die Bundeswehr muss aus allen Auslandseinsätzen zurückgeholt werden“ und „Wir fordern das sofortige Ende aller Kampfeinsätze der Bundeswehr. Dazu gehören auch deutsche Beteiligungen an UNmandatierten Militäreinsätzen nach Kapitel VII der UN-Charta […]“ (Programm der Partei DIE LINKE). Im aktuellen BT-Wahlprogramm steht auch „Rückzug aller deutschen Soldatinnen und Soldaten aus den Auslandseinsätzen und ein Verbot von Rüstungsproduktion und Rüstungsexporten“ (Wahlprogramm der Partei DIE LINKE zur Bundestagswahl 2013). Wir wollen Konflikte friedlich und zivil lösen. Das ist der Kern unserer Friedenspolitik. Wir setzen auf ziviles Engagement statt auf eine weltweite Entsendung deutscher Soldaten. Wir stehen gegen eine Militarisierung der deutschen Außenpolitik.

Handelt es sich um einen Türöffnereinsatz?

Es geht bei diesem Einsatz auch um eine Symbolpolitik mittels der Entsendung eines deutschen Kriegsschiffs. Im Rahmen der Militarisierung der deutschen Außenpolitik spricht man gerade im Bezug auf so genannte niedrigschwellige Einsätze von Türöffnereinsätzen. Diese Einsätze sollen die Öffentlichkeit an die Präsenz deutscher Soldaten im Ausland gewöhnen und die Türen zu einer Zustimmung bei den Oppositionsparteien öffnen. Die SPD öffnete sich gegenüber Auslandseinsätzen der Bundeswehr vor dem Hintergrund eines Sanitätseinsatzes in Kambodscha. Im August 1992 mit den so genannten Petersberger Beschlüssen legte der SPD-Vorstand die Grundlage nicht nur für eine Zustimmung zum Asylkompromiss, sondern auch für Bundeswehreinsätze außerhalb des Bündnisgebiets. Bei den Grünen stimmten Fraktionsmitglieder bereits 1994 niedrigschwelligen Einsätzen der Bundeswehr auf dem Balkan zu. Diese Zustimmung einzelner grüner Bundestagabgeordneter war mit konstitutiv für die Zustimmung der grünen Bundestagsfraktion zum Krieg gegen Jugoslawien. Der grüne Politiker und spätere Außenminister Fischer hatte bewusst auf die Zustimmung oder auch die Enthaltung einzelner Abgeordneter gesetzt, um die Position der Fraktion mittelfristig verschieben zu können.

Hat Deutschland nicht eine Verantwortung, diejenigen Waffen bzw. Chemikalien, die man selbst exportiert hat, militärisch wieder einzusammeln?

Mit diesem Argument lassen sich weltweit deutsche Auslandseinsätze der Bundeswehr legitimieren. Wir wollen keine neuen Legitimationen für Auslandseinsätze schaffen. Wir wollen eine ganz andere Richtung. Wir wollen Rüstungsexporte verbieten und uns zivil an der Vernichtung von Chemiewaffen beteiligen. Ein Verbot des Exports von Chemikalien in Länder, die die Chemiewaffenkonvention nicht unterzeichnet haben, ist dringend geboten. (Hervorhebung steven25)

Anhang
positionspapier_mittelmeereinsatz_dagdelen_wagenknecht_u.a._07042014.pdf