18.07.2024
Gewichtig und richtig: weitreichende US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland
31–37 Minuten
Die USA und Deutschland haben auf dem Nato-Gipfel im Juli 2024 verkündet, dass 2026 in Deutschland bodengestützte amerikanische Mittelstreckenwaffen stationiert werden, die das russische Kernland erreichen können. Das ist ein bedeutender Schritt, denn die Nato erhält damit neue Fähigkeiten in einem Bereich, der durch Russlands Raketenkrieg gegen die Ukraine wichtiger geworden ist. Moskau droht mit militärischen Gegenmaßnahmen. Aber die hiermit verknüpften Risiken für Deutschland sind bei genauer Betrachtung geringer als oft vermutet. Die Pläne haben sogar Potential, zu künftigen Rüstungskontrollvereinbarungen mit Russland beizutragen.
Russland setzt im Krieg gegen die Ukraine in großem Umfang ballistische Raketen und Marschflugkörper ein. Wichtiger als diese militärische Fähigkeit ist jedoch, dass Putin politisch gezeigt hat, auch hohe Kosten und Risiken hinzunehmen, um Ziele mit Gewalt zu erreichen. Ein »zu allem bereites« Moskau könnte, so die Sorge vieler, die Entschlossenheit einer eventuell gespaltenen Nato unterschätzen und einen begrenzten Angriff wagen. Um in Putins Risikokalkulation einzudringen und diesen Fehlschluss zu verhindern, setzt die Allianz auf zusätzliche und teils neuartige abstandsfähige Präzisionswaffen, die Ziele tief hinter der Front exakt treffen und erstmals seit Jahrzehnten wieder an Land stationiert werden.
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Bessere Abschreckungsfähigkeit
Die drei Systeme werden im Rahmen der 2. Multi-Domain Task Force der U.S. Army in Deutschland stationiert. Ihre Kernaufgabe ist, Russlands Anti-Access/Area-Denial (A2/AD)-Kapazität mit Hilfe neuer Technologien und Konzepte zu überwinden: Moskau hofft, in einem Krieg das Gros der Nato-Kräfte vom Kampfgebiet an seiner Grenze fernzuhalten, indem es mit Raketen und Marschflugkörpern deren Aufmarsch und Versorgung unterbindet oder mit Schlägen gegen einzelne Nato-Länder deren Einlenken erzwingt. Allein mit Luft- und Raketenabwehr könnte sich die Allianz davor nicht wirksam schützen, weil Europa zu groß ist und umfassender Schutz gegen das russische Flugkörperarsenal zu teuer wäre. Mit eigenen weitreichenden Mittelstreckenwaffen kann die Nato diesen russischen Plan aber auf zwei komplementäre Arten durchkreuzen.
Ihre erste Aufgabe ist es, jene russischen Deep-Strike-Fähigkeiten, welche die Allianz auf Distanz halten sollen, ins Fadenkreuz zu nehmen (hold at risk) und eventuell zu zerstören, bevor sie auf Nato-Gebiet feuern. Verlöre der Kreml diese Systeme, da sie zerstört oder abgezogen wurden, würde es der Nato erleichtert, den Angriff zurückzudrängen. Dies soll Russland von vornherein abschrecken, Nato-Länder anzugreifen.I
Die zweite Aufgabe der Mittelstreckenwaffen besteht darin, wenigstens einige zeitkritische Hochwertziele in Russland zerstören zu können. Hierzu zählen mobile Kommandozentralen oder Abschussrampen für ballistische Raketen und Marschflugkörper. So wird Russland signalisiert, dass die Nato bei einem Angriff gegen sich die Option hat, die russische Fähigkeit zur Fortsetzung der Kampfhandlungen massiv einzuschränken – was abschrecken soll. (…)
(Hervorhebung StB)
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