Globalcrisis/globalchange NEWS
Stephan Best
14.11.2017
Guten Abend an die Listen,
für nicht Spanisch oder Katalanisch Sprechende oder Lesende ist die derzeitige Lage ebenso wie der Konflikt um die Unabhängigkeit Kataloniens nur mühsam nachzuvollziehen. Insbesondere die Vorgänge in Katalonien, die dazu geführt haben, dass die Bevölkerung immer entschiedener auf ihren wiederholt von Madrid aus in Frage gestellten Autonomiestatus pocht, werden von deutschen Qualitätsmedien nicht erklärt.
Besser gelingt das in einem Interview, welches Raul ZELIK mit Quim ARRUFAT führte. Wie schon im Titel angedeutet geht es der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung weniger um die seit Jahrhunderten offene nationale Frage oder Grenzen, vielmehr zeichnet sich bei genauerer Kenntnis der sozialen Strukturen und lokalen Reformprozesse die Frage der Autonomie von Spanien eher als abgeleitetes Problem ab. So hat das Unabhängigkeitsstreben in dem Maße zugenommen, in dem von spanischen Gerichten katalanische Gesetze kassiert wurden.
Auch ohne tiefere Spanischkenntnisse kann an Hand der folgenden Meldung nachvollzogen werden, dass ein zentrales Streitfeld die Souveränität über Energieversorgung in Katalonien ist.
Das Verfassungsgericht kassiert das Gesetz gegen Zwangsräumung in Katalonien:
Das Verfassungsgericht geht gegen das katalanische Verbot von Stierkämpfen vor:
Weitere Gesetze wurden als nicht vereinbar mit spanischem Recht erklärt: Das ist das Gesetz von Handel, Dienstleistungen und Messen von Katalonien; das katalanische Gesetz über den Klimawandel; und das Fahrzeugtransportgesetz für Fahrzeuge bis zu neun Orten. http://www.lavanguardia.com/politica/20171103/432563339714/el-gobierno-recurrira-ante-el-tc-tres-leyes-del-parlamento-de-cataluna.html
Anmerkung:
Zwei der vom Verfassungsgerichtshof (Tribunal Constitutional) kassierten Gesetze richten sich gegen Energiearmut und für das Recht auf Wohnraum. Mit den Hinweisen bei LaVanguardia lassen sich die Gesetzestexte auf dem Gesetzesportal der Generalität von Katalonien finden.
http://portaljuridic.gencat.cat/ca?documentId=770266&action=fitxa
LLEI 4/2016, del 23 de desembre, de mesures de protecció del dret a l’habitatge de les persones en risc d’exclusió residencial
http://portaljuridic.gencat.cat/ca?documentId=770266&action=fitxa
LLEI 4/2016, del 23 de desembre, de mesures de protecció del dret a l’habitatge de les persones en risc d’exclusió residencial.
Wichtig zu klären wäre noch, in welchem Status die Gesetze / Suspendierung sich jeweils befinden. Die o. g. Gesetze wurden erst Ende Oktober suspendiert (!!!) Die Suspendierung gilt für 5 Monate und muss danach entweder ratifiziert oder aufgehoben werden. (Elke Schenk)
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Nun zum Interview selbst:
Unabhängigkeit – gegen den Nationalstaat?
International Quim Arrufat über die katalanische Unabhängigkeitsbewegung und die Politik der linken Candidatura d’Unitat Popular ak –
analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 632 / 14.11.2017
Interview: Raul Zelik
Quim ARRUFAT ist Sprecher des Generalsekretariats der linken Candidatura d’Unitat Popular (CUP), die mit acht Prozent im katalanischen Parlament sitzt und dort zwei Jahre lang die abgesetzte Regierung Puigdemont toleriert hat. Mit Arrufat sprach Rauk Zelik darüber, wie sich die Lage nach der Suspendierung der katalanischen Autonomie darstellt und warum die antikapitalistische CUP so sehr auf die Gründung eines unabhängigen Kataloniens setzt.
„Die CUP behauptet, nicht-nationalistisch zu
sein. Warum setzt ihr dann trotzdem auf die
Gründung eines eigenen Staates?
Wir sind für die Unabhängigkeit, weil kein
einziges – soziales und demokratisches – Ziel
unseres Programms innerhalb des spanischen
Staates umgesetzt werden kann. Der
verfassunggebende Prozess in Katalonien
wäre ein erster Schritt, um unser Projekt zu
materialisieren …“
-=Das vollständige Interview findet sich in deutscher Sprache als PDF-Anhang=-
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Bei der Recherche zu den stark kommunal verankerten Strukturen der Selbstverwaltung und Organisation stieß Elke SCHENK auf folgende Fundgrube:
Und dann findet sich auf der Seite der Generalitat einiges zu sozialen Gesetzen und Hilfestellung für Leute, die die in Anspruch nehmen wollen (auf Englisch).
http://web.gencat.cat/en/tramits/que-cal-fer-si/Pobresa-energetica/
I can not pay bills for water, gas and electricity
Die Generalität bietet unter dem Schlagwort, was mache ich wenn, …
http://web.gencat.cat/en/tramits/que-cal-fer-si/
folgende bemerkenswerte Kategorien an:
I want to create a cooperative
I want to create a worker-owned company
Das Gesetz gegen Energiearmut in der konsolidierten Fassung (auf Spanisch) findet sich hier (noch vom vorherigen Parlament angenommen!!!):
Auf dieser Seite findet sich im Kasten rechts eine Übersicht zu weiteren sozialen Anliegen. Klickt man die Stichworte an, gelangt man zu weiteren Gesetzen, z. B. dem Gesetz zu Maßnahmen, um das Recht auf Wohnraum zu schützen:
LLEI 4/2016, del 23 de desembre, de mesures de protecció del dret a l’habitatge de les persones en risc d’exclusió residencial.
(…)
Die Doppelbödigkeit der spanischen Regierung zeigt dieser BBC-Artikel gut: einerseits Zorn darüber, dass Leute bei Bränden in ihren Wohnungen umkommen, weil sie keinen Zugang zum Strom haben und dann mit Kerzen die Wohnung beleuchten, andererseits cancelt Rajoy das katalanische Gesetz, dass Energierechnungen für eine Zeit zu stunden erlaubt, als Überschreiten der regionalen Kompetenzen:
http://www.bbc.com/news/world-europe-38024374
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Ciao Stephan Best
Raul ZELIK Unabhängigkeit vs Nationalstaat Interview 20171114.pdf